Nicht jedes Verhalten hat immer zwangsläufig etwas mit uns zu tun, aber mit Sicherheit jedes Verhalten, das Emotion in mir in Wallung bringt.
So ging es mir vor Kurzem mit meiner Jeannie, ihre Angst vor dem Nichts, hat mich regelmäßig zur Weißglut gebracht. Da ist genau gar nichts Furchterregendes und trotzdem macht sie sich Sorgen, reißt die Augen auf, spannt sich an, jeden Moment kommt das kleine rote Zäpfchen aus dem Deckel des Dampfdruckkessels. „Ich kann da unmöglich vorbei gehen, schon gar nicht in diesem Abstand. Aus diesem Bach springen gleich blutrünstige Haie und da hinten im Wald wartet schon der große böse Wolf auf uns!“
Sie hat natürlich gelernt, wie sie damit für sich umgehen kann bzw. welches Verhalten ich mir in solchen Situationen von ihr wünsche, ist jederzeit händelbar. Es reicht eine kurze Erinnerung, dann werden auch die Räume eingehalten. Wie ich damit umgehe, rein technisch, ist nicht die Frage. Wobei ich erwähnen möchte, dass es mir sehr wichtig ist, dass das Pferd in seinem Entwicklungsprozess tatsächlich einen Mehrwert erfährt. Ich konditioniere zB kein automatisches Kopfsenken.
Und doch fanden wir uns regelmäßig in solchen Situationen wieder, mal mehr mal weniger ausdrucksstark. Ich beginne mich selbst zu beobachten, was geht in mir vor, was denke ich, was fühle ich.
Das kann ich dir sagen, es zipft mich so richtig an und ich spüre einen kleinen Feuerball in meinem Magen. Was muss dieses Pferd sich so deppert aufführen? DA IS NIX! Und schon flammen alte Muster wieder auf.
Aufpassen!!! Gleich verarscht sie dich!
Nein natürlich nicht, dazu ist kein Pferd in der Lage. Diese besonderen Fähigkeiten sind nur uns Menschen vorbehalten. Nein, für sie ist das in diesem Moment ECHT, sie hat wirklich Angst vor dem Nichts.
Ich muss weiter analysieren, was regt mich dabei eigentlich genau auf, was hat es mit mir zu tun? Und wo in meinem Leben habe ich Angst, obwohl da nichts ist?
Ich ärgere mich über mich selbst, weil ich ihren hohen Sicherheitsansprüchen als Pferd, insbesondere als Leitstute, noch nicht gänzlich genüge. Auch das finden wir in unser beider Wesen, der hohe Anspruch an uns selbst.
Langsam dämmert es mir, es ist meine Angst, dass etwas passieren könnte. Ich kenne diese Angst seit dem 2018 meine zwei Pferde bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. In dem Glauben, ich hätte alles ausreichend aufgearbeitet, war mir nicht bewusst, dass sich noch so viel Angst mit mir herumschleppe.
Meine liebe Jeannie liest mich allumfassend bis in die Tiefe und ich darf mir den Film über mich dann anschauen. Wenn es bei mir selbst auch manchmal ein bisschen länger dauert, zeigt sie mir gerne ganz viele Wiederholungen, bis ich es endlich kapiere. Wie das halt so ist mit den blinden Flecken bei sich selber.
Was mache ich nun mit meiner neu gewonnen Erkenntnis? Ganz viel ergibt sich schon allein aus dem Prozess der Bewusstwerdung. Ich lege mir gedanklich eine neue Strategie zurecht, für den Fall, dass wir wieder in so einer Situation landen. Und das tun wir sicher, denn Frau Lipizzaner nimmt es ganz genau mit mir und muss sicher gehen, dass ich es auch wirklich verstanden habe. Ok also der Plan ist die Aufmerksamkeit aktiv umzulenken, die Spannung loslassen, ich entziehe der Angst die Energie und wandle sie um. Am besten in Freude. Deshalb gehe ich jetzt über die Brücke und rufe „Oh mein Gott, Delphine!“, muss lachen und meine Jeannie lacht auch.
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